Karl Knopf
Philosophie
"Die beste Maxime beim Schreiben ist vielleicht die, den Leser wirklich um seiner selbst willen zu lieben"
Charles Sanders Peirce
Symbole, Mythen und der Kritische Idealismus
Ein Kommentar zu Die Wahrheit über Hedda Gabler von Theodor W. Adorno, in Minima Moralia
Einleitend möchte ich bemerken, dass Henrik Ibsen in seinem Theaterstück Hedda Gabler, dem 1890 entstandenen Drama in vier Akten, die gesellschaftlichen Verhältnisse im Bürgertum des ausgehenden 19ten Jahrhunderts zu Einzelschicksalen verdichtet hat und trotzdem, oder aber vielleicht gerade deshalb, genügend Spielraum lässt, psychologische Aspekte gleichberechtigt neben seiner Gesellschaftskritik bestehen zu lassen, ohne dem Zuhörer eine simplifizierte Deutung anzudienen.
Er überlässt auf diese Weise dem Betrachter, wie weit er den Rahmen steckt, und ob er die Protagonisten als Getriebene oder als in dem jeweiligen Umfeld des eigenen Entscheids Befähigte betrachtet.
Adorno hingegen geht nun zunächst den Weg der Erweiterung des Privaten in Richtung einer allgemeinen Aussage, die für die damalige Gesellschaft Gültigkeit hat, lässt aber zu Gunsten einer weiterreichenden Erörterung des durch Ibsen initiierten gesellschaftskritischen Diskurses, das psychologisch irrationale Moment weg.
Es darf dennoch nicht verschwiegen werden, dass Adorno in der vorausgehenden Betrachtung in den Minima Moralia auf die geschlechterspezifischen, psychologischen Besonderheiten der Frau in der Gesellschaft des neunzehnten Jahrhunderts - auch durchaus im Sinne der Darlegung Ibsens - eingeht, weshalb man sie zum Behuf eines besseren Verständnisses zur Kenntnis nehmen muss.
„Wofern ihnen nur eine gewisse Fülle von Waren gewährt wird, stimmen sie in ihr Los begeistert ein, überlassen das Denken den Männern, diffamieren jegliche Reflexion als Verstoß gegen das von der Kulturindustrie propagierte weibliche Ideal und lassen überhaupt es sich wohl sein in der Unfreiheit, die sie für die Erfüllung ihres Geschlechts halten. Die Defekte, mit denen sie dafür zu zahlen haben, obenan die neurotische Dummheit, tragen zur Fortdauer des Zustands bei." Adorno, Minima Moralia: Ausgrabung
Das Psychologische wird aber auch hier nicht zum Psychologismus. Es gewinnt Allgemeingültigkeit, indem es sich aus dem Reflex zu den bestehenden sozialen Verhältnissen erklärt, damit zwar auch ein „es ist so wie es ist, weil" setzt, dies jedoch wieder aushöhlt, indem es sich in seiner Verwobenheit zeigt. Mehr noch, der vermeintlich im Vordergrund stehende Topos wird im dialektischen Denken aufgelöst, solange bis das feinädrige Geflecht in seiner Vielfalt den nunmehr „gedachten" Möglichkeiten von Ibsens Symbolismus entspricht. Hier ist es nun nicht mehr die Konkretion des Angedeuteten, es ist der auf das äußerste präzisierte Schwebezustand des Inkonkreten.
Es muss aber auch festgehalten werden, dass sich aus der nachgestellten Erklärung des Irrationalen immer die Gefahr eines Missverständnisses zu Gunsten einer geringeren Verantwortlichkeit des Individuums ergibt, denn die Erklärbarkeit ist Versuch der Integration und damit Einbindung in einen gesamtverantwortlichen Kontext. Die Begegnung des Irrationalen mit der Ratio entspricht dem Denken des Gefühls welches nun durch Verlagerung ins Allgemeine gesichert zu sein scheint, hierdurch aber einer Täuschung erliegt, denn weder der sich als unhinterfragbar betrachtende Psychologismus, noch die daraus abgeleitete Soziologie sind Beweismittel für sich und entheben das Individuum des Rekurses auf das selbst, welches durch die Sprache gesetzt ist.
Indem Adorno nun aber das Denken fühlbar macht, schafft er eine Ebene, auf der geschriebenes Wort über seinen Inhalt hinausgeht. So nimmt er die Verantwortung, überträgt sie auf das Allgemeine, spiegelt sie zurück und verfestigt sie in seinem Text. In Ibsens Stücken sind die Personen die Protagonisten, bei Adorno sind es die Worte.
Die Handlung
Hedda (Tochter des Generals Gabler) und Jörgen Tesman sind soeben von ihrer Hochzeitsreise zurückgekehrt. Jörgen Tesman ist ein fleißiger, pedantischer Mann, der während der sechsmonatigen Reise hauptsächlich an einem kulturwissenschaftlichen Buch gearbeitet hat, von dem er hofft, dass dessen Veröffentlichung ihm einen Doktortitel und eine Stelle im Universitätsdienst ermöglichen soll. Hedda liebt Jörgen nicht. Sie betrachtet ihn mit Gleichgültigkeit; er besitzt kein Gespür für Heddas Weiblichkeit. Hedda wird die Sinnlosigkeit ihrer Ehe deutlich, als sie vernimmt, dass Ejlert Lövborg wieder in der Stadt ist. Lövborg und Hedda hatten vor Jahren eine äußerst gespannte und intensive Liebesbeziehung. Lövborg ist ebenfalls Kulturwissenschaftler, der sich nach Alkohlexzessen auf das Land zurückgezogen hat und dort mit Hilfe der verheirateten Thea Elvsted an einem gerade eben publizierten erfolgreichen Buch gearbeitet hat. Er könnte nach seinem Erfolg zur beruflichen Konkurrenz für Tesman zu werden. Diese Befürchtung erweist sich jedoch als unbegründet.
Hedda ist eifersüchtig auf Theas offenkundigen Einfluss auf Lövborg und versucht, sich zwischen die Beiden zu drängen. Sie nutzt geschickt die Naivität Theas aus, die Lövborg als „Kameradin" beim Verfassen seines Buches geholfen hat und entlockt ihr Geheimnisse über Lövbergs Leben auf dem Land. Sie reizt Lövborg indem sie vor ihm und Thea ihr intimes Wissen bekannt gibt. Lövborg beschließt aus Enttäuschung über den Vertrauensbruch und gemischt mit den unverarbeiteten Erinnerungen, seine Enthaltsamkeit aufzugeben und sich zu betrinken. Hedda fördert verdeckt diese Absicht, wohlwissend, dass dieses Verhalten in einem gesellschaftlichen Fiasko und der Zerstörung von Lövborgs Charakter enden wird. Hedda ist getrieben von dem Gedanken, den sie wie folgt formuliert: „Ich will ein einziges Mal in meinem Leben die Herrschaft haben über ein Menschenschicksal". Diese Macht an ihrem Mann auszuüben, interessiert Hedda nicht, er besitzt in ihren Augen keinen Wert.
Am nächsten Morgen berichtet ihr der verzweifelte Lövborg, dass er gesellschaftlich ruiniert ist und zudem das Manuskript der Fortsetzung seines Buches verloren hat. Hedda verschweigt ihm, dass Jörgen es gefunden hat. Stattdessen bestärkt sie ihn in seiner Ausweglosigkeit und reicht ihm eine Pistole. Anschließend verbrennt sie das Manuskript mit dem Hinweis auf die Beziehung zwischen Thea und Ejlert „Nun verbrenne,– nun verbrenn ich das Kind.". Jörgen gegenüber erklärt sie, sie habe es vernichtet, um seine und ihre Zukunft zu sichern.
Die Nachricht wird überbracht, dass Lövborg sich erschossen hat. Hedda bleibt kühl. Jörgen beschließt mit Thea, das Buch mit Hilfe aufgefundener Notizen zu rekonstruieren. Der mit den Geschäften der Tesmans beauftragte Assessor Brack eröffnet Hedda, dass Lövborg sich in einem Bordell erschossen hat und es vermutlich kein Selbstmord, sondern ein Unfall im Alkoholrausch war. Hedda ist schockiert, da sie sich einen heldenhaften Freitod, ein Ende „… darin Schönheit ist" vorgestellt hat. Hedda ist enttäuscht: „Das Lächerliche und Gemeine, es legt sich wie ein Fluch auf alles, was ich nur anrühre." Brack weiß, dass Lövborg durch die Pistole zu Tode kam, die er von Hedda erhielt – er hat die Möglichkeit, Hedda zu erpressen. Hedda erschießt sich. [Zusammenfassung nach Wikipedia]
Geschichtlicher Hintergrund
Ende des 19. Jahrhunderts hatte das Bürgertum, als Mitte der Gesellschaft zwischen Adel und Proletariat verstanden, nur noch einen prozentualen Anteil von 10%. Durch die Industrialisierung war ein großer Teil des Kleinbürgertums in seiner Existenz bedroht. Der Liberalismus des bürgerlichen Milieus hatte sich gegen seine eigene Gesellschaftsschicht gewendet und zur Ausbeutung seiner selbst, getreu dem eigenen Regelwerk, geführt.
Das Mittelmaß, vom Absturz bedroht, neigt zur Bosheit gegen den vermeintlichen Feind, welcher in Ermangelung an Einsicht und konkreter Benennung im Schwachen und Andersartigen gesehen wird. So neigt es zur Intoleranz, wie auch Insistenz gegen die, welche dem Leben in Freiheit und Verantwortung ein privates Glück abgewinnen konnten, wendet sich dieserart gegen die Grundsätze und die Moral, in der es die eigene Beschränktheit erkennt, obschon gerade sie dem Individuum mehr Freiheiten zu geben bereit waren.
In der Vollziehbarkeit dieser Demontage des Glücks, welches Wunsch und eigene Realität in unmissverständlicher Weise einander gegenüberstellt, sich aber auch durch die Bereitschaft zum Kompromiss angreifbar zeigt, versichert es sich der Entweihbarkeit des Guten und sucht sich Bestätigung im Absoluten. Wofern die Kunst sich nun als solches, gleichwohl aber auch als Projektion der eigenen Bedürfnisse installieren lässt, dient sie in ihrem Missverstand nun als Symbol für etwas was der Welt entrückt, ihr damit aber auch zur Grundlage geworden ist.
Das Schöne/Gute apotheotisch, das Gütige als in der Welt begriffen, verbindlich und sich nie selbst genügend - Handlanger der Zweckdienlichkeit, seinen eigenen Mangel schon vorwegnehmend. Die Utopie, in deren Namen das heroische erwächst, steht unangreifbar über dem kleinbürgerlich Kompromissbehafteten, gegen das sich Hedda Gabler, als darin Verfangene, mit Händen und Füssen wehrt.
Indem Hedda sich an der Moral vergeht und die Schwächen der Menschen zum Zwecke der eigenen Erhöhung gegen sie wendet, lebt sie die Utopie des kompromisslos Reinen, in welchem sich das Gute in Form des Bösen findet. Das Recht ist auf Heddas Seite und ist doch Unrecht, da es sich an denen versündigt, die sich ihrer Abhängigkeit nicht bewusst sind. Wenn bürgerliche Moral auf Grund ihres repressiven Elementes als Antagonismus zur Freiheit begriffen wird, geht die Repression an die Freiheit über. Das Ideal wird zum Dogma und ist zugleich verdrehte Spiegelung der auf Es reflektierten eigenen Befangenheiten. Das Denken welches sich am Äußersten orientiert ohne die eigene Realität zu erkennen, hat nur seinen Standpunkt verlagert, bleibt jedoch nach wie vor in seiner Einsicht begrenzt, darüber hinaus wird es zur Hülse, da es sich gegen das wendet, was ihm den Boden bereitet.
Heddas Affekt ist auch Zeichen der Ohnmacht. In ihrer Kompromisslosigkeit erhebt sie das Akzidentielle zum Wesentlichen, da es Ausdruck der verhassten Mittelmäßigkeit ist, gegen die sie sich wehrt, erkennt jedoch nicht, dass die einfache Negation auch Anerkennung des Negierten selbst ist. Ihr Wüten entspricht einem Spiegel, welcher in seinem Bestreben dem Selbstauferlegten Gebot zur ästhetischen Reinheit genüge zu tun, das eigene Fehlen nicht dargeboten bekommt. Durch fortlaufende Trübung vollzieht sich sein Scheitern, das bald in Zerstörung endet. Sein Zerspringen ist Ausdruck der Fehlbarkeit und dennoch korrigiert es sie, denn in der finalen Verweigerung steckt das Recht des Absoluten. Sie zeigt der Welt ihr Fehlen, indem sie sich den letzten unwiderruflichen Standpunkt zu Eigen macht. und damit die Konsequenz der ohne Rücksicht gegen sich selbst gerichteten Tat zum Zeugen ihrer Ehrenhaftigkeit beruft.
"Denn der entrüstete Mensch, und wer immer mit seinen eigenen Zähnen sich selbst (oder, zum Ersatz dafür die Welt, oder Gott, oder die Gesellschaft) zerreißt und zerfleischt, mag zwar, moralisch gerechnet, höher stehen, als der lachende und selbstzufriedne Satyr, in jedem anderen Sinn aber ist er der gewöhnlichere, gleichgültigere, unbelehrendere Fall. Und niemand lügt so viel als der Entrüstete."
Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse
Der Ästhetizismus ist eine Anbetung des Schönen und Reinen, er ist die Konvertierung des transzendentalen Grundes, zum göttlichen Prinzip. Dieser Apotheose bringt sich der Mensch selbst zum Opfer. Er macht sich zum Mittel seiner eigenen vordenklichen Gründe, die ihm so unerklärlich wie die abgeleitete Vergötterung sind. In dem er das Undurchsichtige-Besondere zur Norm erhebt, da ihm das Allgemeine zu durchsichtig ward, wird sein Tun zu religiöser Geste, welche nicht nur dem inthronisierten Zwecke dient, sie ist auch gerade dadurch Beweis an sich selbst für Wahrhaftigkeit. Das rohe Gefühl wähnt sich im Recht, da es als Ursprüngliches, sich der Nähe zur ästhetischen Reinheit gewiss ist. Idealismus wird zu Mystizismus, denn im Dienste der „Sache" wird das Mittel zum eigentlichen Element, das seine Rechtfertigung schlussendlich aus sich selbst bezieht und sich ein eigenes Recht konstituiert. Wenn Reinheit im Gegensatz zu Komplexizität verstanden wird, so ist das Ideal vom transzendentalen Grund, wie aber auch vom Mittel getrennt. Die Berufung des Einen auf das Andere ist nur noch Schein, und entbehrt genau jener Grundlage, die es bemüht.
Tantalos, der König zwischen den Welten war, sich an den Menschen und an den Göttern verging, indem er den eigenen Sohn den Göttern zur Speise anbot, der wie Hedda in egozentrischer Herausforderung das Liebe dem Absoluten zu opfern gedachte, wurde die Strafe in der Verbannung durch quälenden Hunger und peinigendem Durst zu teil. Immer wenn er versuchte der Früchte über seinem Kopf und des Wassers an seinen Füssen habhaft zu werden, wichen sie wie von Geisterhand bewegt zurück. Darüber hinaus schwebte ständig ein Felsbrocken über ihm, der ihn zu töten drohte.
Seine Strafe ist die Unerreichbarkeit dessen was ihn „Sein" lässt. Das Äußere zu greifen-begreifen um sein eigenes „Sein" zu sichern, sich dessen zu versichern. Selbst der Tod als Überschreitung einer Grenze ist ihm verwehrt. Es ist die Ausweglosigkeit der unendlichen Näherung die nie ein „Jenseits" eine Wahrheit als evident, ein Ziel als bestimmbar erscheinen lässt, ohne dass dies eine Veränderung erfährt. In der Strafe spiegelt sich Tantalos Vergehen. Indem er den Göttern ihren Enkel zur Speise vorsetzt, versucht er das göttlich Absolute dem menschlichen Denken einzuverleiben, nicht wissend (wohl wissend), dass ihn der geglückte Versuch um die Erkenntnis, oder zur Erkenntnis der Nicht-Erkenntnis, gebracht hätte. All sein Streben ist also Mittel, welches indem es sich ins Verhältnis setzt, das Absolute diffus werden lässt, oder, als man das Absolute als solches setzt, das Mittel sich selbstgenügend erscheinen lässt. So sucht denn Tantalos nach dem, was sich ihm entzieht, der Ordnung, die ihm zur Differenz genügt. Auf ´s Grässlichste opfert er sein Liebstes, den vielleicht einzigen Sinn seines Lebens, um sich in der Herausforderung des Unbegreiflichen, sich letztlich nicht erschließenden, seiner selbst zu vergewissern und sich dabei zu verlieren, da nichts bleibt als die Ungeheuerlichkeit der Tat.
Wie in der Leibnizschen Herausforderung der Allmächtigkeit beweist das Denken nur seine eigenen Grenzen, geht an den Punkt der unendlich teilbar ist und doch unteilbar ist, hat indem es sich um sich selbst dreht durchaus Charakter einer religiösen Übung, ist Kaddisch der dem Verstande huldigt und sich damit verrät.
Erst in der Anerkenntnis des Mangels, welcher das Streben nach Erkenntnis – Idealen unbenommen ist, ja essentiell für sie ist, steckt die Kraft die dem Zerfall entgegen wirkt. Da wo die Unvollkommenheit nicht apriori als zu überwindendes sondern als schöpferisches verbindendes Element verstanden wird, also als Potenzial, mündet die Suche nicht in Zerstörung. Sie wird zu einer kreativen, positiv strukturierenden Substanz des Lebens, ist aber dennoch im weitesten Sinne auch Religion.
Die Sprache
„Der Gedanke ist der sinnvolle Satz“, Ludwig Wittgenstein
Der Gedanke ist, was sich aus dem unausgedehnten Raum der Empfindungen, über den Prozess der Kondensation zu Fragmenten größerer Deutlichkeit, in die Abstraktion der Sprache bewegt. Die Sprache wiederum ist Zeichen, welches im Klang gefühlt wird und in seiner Abstraktion das genuine, unausgedehnte Gefühl bestimmt. Der sinnvolle Satz ist verfestigtes Fragment des Denkens, bestehend auf Verifikation im realen Raum des Wahrgenommenen und innerer Logik, die in letzter Instanz auf Kognition von Kausalitätsprinzipien beruht.
Ludwig Boltzmann hat die Frage aufgeworfen, ob nicht das wahrgenommene Perzept immer ein Abstrakt höchster Wahrscheinlichkeit im Raume der Möglichkeiten ist, und hat dies an einem Gedankenspiel verdeutlicht: Ein Gas ist immer aufgrund der Entropie (gleichmäßige Energieverteilung in der Molekularbewegung - Thermodynamik) in einem quadratischen Raum überall in gleicher Dichte anzutreffen. Dieser Eindruck entsteht durch die Verallgemeinerung der vorgenommenen Stichproben zu einem einheitlichen Bild, also das relative ins Verhältnissetzen kleiner Veränderungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zum vermeintlich homogenen Ganzen unter der Prämisse, dass das ordnende Prinzip, das es zu erkennen gilt, dasjenige ist, dem sich die Ausnahme unterzuordnen hat.
Nun ist es nicht nur nicht abwegig, unwahrscheinlichere Zustände anzunehmen, im Gegenteil, es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass sich Gasmoleküle, die sich zu Milliarden in einem abgeschlossenen System unkontrolliert bewegen, nicht an die Regel gleichmäßiger Verteilung halten. Man muss also davon ausgehen, dass zeitweise auch unwahrscheinlichere Zustände eintreten, sie sogar ständig statthaben. Es besteht darüber hinaus sogar die Möglichkeit, dass das Gas irgendwann - auch wenn die Wahrscheinlichkeit hierfür äußerst gering ist – in einer Raumecke kulminiert.
Realität ist immer ein Nebeneinander aller Möglichkeiten und lässt sich auf der Zeitachse nur durch die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Einzelereignisses exakt beschreiben, nicht aber durch Verallgemeinerung, welche die konkrete Vielfalt dem abstrakten Prinzip unterzuordnen bemüht ist.
Wir haben immer den linearen Verlauf einer Bewegung im Raum vor Augen, wenn wir von Kausalität und damit von Sinn reden, müssen uns hiervon jedoch verabschieden, da dieser Zusammenhang ein reiner Erfahrungswert ist, der seinerseits auch nur die größte Wahrscheinlichkeit darstellt. Uns ist nur die Möglichkeit der Beobachtung gegeben, die wir in gewissen Zeitabständen tätigen können. Die dazwischen liegenden Schritte sind Schlussfolgerungen, aber kein Abbild der Realität.
Gleichzeitigkeit, wie wir sie aus der Quantenphysik kennen, ist uns nicht vorstellbar, wenn sie sich auf ein und das gleiche „Objekt“ am gleichen Ort in verschiedenen Erscheinungsformen bezieht. Wenn wir dies nun auf den sinnvollen Satz übertragen, kann er dies nur dann sein - also die Realität abbilden wie sie ist -, wenn er alles beschreibt was ist und auch das, was gerade nicht ist, da auch dies zu seiner Aussage gehört. Eine Beschreibung, die alles darstellt und nichts weglässt, hat jedoch die maximale Unschärfe inne, ist ein Widerspruch an sich und damit eigentlich sinnlos.
Unser Gefühl sträubt sich dagegen das „Alles“ zu denken, da unser ganzer Wahrnehmungsapparat eher auf Selektion nach nützlichen Kriterien ausgelegt ist. Vom Perzept bis zum Gedanken findet ein Prozess des Filterns und der Abstraktion statt.
Der Versuch das „Alles“ zu denken ist nur möglich durch die Abgrenzung gegen das „Nichts“. Wenn aber ein „Alles“ nur durch das „Nichts“ verstehbar wird, ist es kein „Alles“ mehr, weil es das „Nichts“ ja nicht beinhalten kann. Das „Alles“ muss also sowohl als auch nicht das „Nichts“ innehaben, wenn es ein „Alles“ sein will.
Dies ist dann aber wieder nicht denkbar, da unserem Geist keine Abgrenzung und kein Herunterbrechen auf ihm entsprechend verstehbares Maß geboten wird. Sprache kann zum Ausdruck bringen, was nicht gedacht werden kann. Der Gedanke ist indifferente Vielfalt, aus dem nur ein Teil zur Sprache kommt. Man kann diese Formen nur zu sich selbst beschreiben. Wie in der Mathematik, können sie sich verstärken, überlagern und auch auslöschen. Das Abstrakt der Sprache ist nicht denkbar, und der konkrete Gedanke ist nur sprechbar, wenn er schon als Sprache gedacht ist.
So verstanden tritt Gleichzeitigkeit ein, welche die Betrachtung des sinnvollen Satzes als Gedanken, wie auch die umgekehrte Aufeinanderbezogenheit denkbar werden lässt. Es entsteht ein Kontinuum, das sowohl die Symmetrie wie aber auch die daran beteiligten Terme als eigenständige Seinsformen bestehen lässt. Die Dichotomie ist zugunsten eines Feldes, innerhalb dessen alle Variationen denkbar werden, aufgehoben. Die aus der Unschärfe der Terme resultierende Freiheit lässt sogar Operationen zu, welche auf den ersten Blick eigentlich unlogisch erscheinen.
Wie bereits erwähnt, müsste man in erster Näherung eigentlich sagen: Das „Alles“ enthält sowohl als auch nicht das „Nichts“. Dies ist in sofern wahr, als sich das „Alles“ nur verstehen lässt, wenn das „Nichts“ sich sowohl außer - wie auch innerhalb seiner befindet. Wenn wir jedoch genauer hinschauen, bemerken wir, dass wir einer Täuschung erliegen. Das „Alles“ erscheint uns substanziell, das „Nichts“ ephemer. Deshalb sind wir bereit, dem „Alles“ das „Nichts“ einzuverleiben, ohne welches es seinem Sein nicht mehr entspräche. Wenn aber das „Nichts“ in seiner Eigenschaft das „Alles“ von innen heraus nun nichtig machen würde? Dann würde das „Alles“ zum „Nichts“. Da aber das „Nichts“ ohne ein Etwas, welches ein Teil des „Alles“ wäre, nicht gedacht werden kann, müssen wir feststellen, dass beide Nomina gleichwertig, gleichflüchtig und nur als abstrakte Entitäten, die man sich nicht zu genau anschauen darf, verstanden werden können. Sobald man den Blick schärft, werden sie sowohl wahr wie auch unwahr.
Auszug aus: Der Traum des Bauern von Luis Aragon
„Der Geist des Menschen erträgt die Unordnung nicht, weil er sie nicht denken kann, will sagen, weil er sie nicht als erstes denken kann. Dass jedwede Idee nur dort auftaucht, wo ihr Gegenteil gedacht wird, ist eine Wahrheit, die an mangelnder Prüfung leidet. Die Unordnung wird nur in Beziehung zur Ordnung gedacht, und in der Folge wird die Ordnung nur in Beziehung zur Unordnung gedacht. Doch nur in der Folge. Schon die Wortform gebietet das. Und was man im Sinn hat, wenn man der Ordnung einen göttlichen Charakter zuschreibt, ist der Übergang von ihrer abstrakten Konzeption zu ihrer konkreten Bedeutung, den es für die Unordnung demnach nicht geben kann. Der Begriff der Ordnung wird durch den unüberwindlichen Begriff der Unordnung nicht kompensiert. Daher die göttliche Erklärung.
Nichts kann den Menschen davon abbringen. Gleichwohl gibt es zwischen einer Idee und einer anderen keinerlei Unterschied. Jede Idee ist geeignet, vom abstrakten zum konkreten überzugehen, ihre höchst eigene Entwicklung zu erreichen und nicht länger diese Taube Nuss zu sein, mit der vulgäre Geister sich begnügen. Es ist mir erlaubt, an dem, was ich in notwendiger Verfolgung meines Denkens während seines logischen Verlaufs behauptet habe, nicht festzuhalten. Mir scheint, dass für den Geist, der seine ideale Wahrnehmung nicht trübt durch fortwährenden Report, durch ständiges Kontrollieren jedes Augenblicks seines Denkens, indem er diesen Augenblick mit allen ihm vorangegangenen Augenblicken vergleicht (und welchen Grund gibt es eigentlich, der Vergangenheit den Vorzug vor der Zukunft zu geben?) – dass für den Geist, der den Unterschied dieser Wörter als eine rein syntaktische Beziehung begreift, der dem Zufolge das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer verschiedener Gase in einem geschlossenen Gefäß annimmt, wobei jedes das ganze Volumen ausfüllt, das allen zur Verfügung steht – dass für diesen Geist die Unordnung geeigneter ist, in den konkreten Zustand überzugehen.
Es ist klar, dass dies nicht einfach ein Gefühl ist, und ebenso klar ist, dass Ordnung und Unordnung als Termini dieser Dialektik nur in der Absicht verwandt wurden, nebenbei, zugleich anhand eines Beispiels, das ich von dieser Dialektik gebe, zu zeigen, auf welch vulgäre Weise die Menschen eine göttliche Erklärung der Welt haben konzipieren können, die jeder wahren Philosophie zuwiderläuft. Ich denke vor allem an den Prozess des Geistes. Wirklich undenkbar ist nur die Idee der absoluten Grenze. Der Geist hat seiner Definition nach keine andere Grenze. Und wenn die Unordnung undenkbar ist, ich meine, wenn sie konkret undenkbar wäre, dann wäre das Konkrete der Unordnung die absolute Grenze des Geistes. Eine sonderbare Darstellung dessen, was mehrere Gott genannt haben. Ich sehe nicht, wie sie mit irgendeiner der Weltanschauungen, die ihnen Erkenntnis ersetzen, zu vereinbaren wäre. Und wenn ich anfangs in einer ersten Figur meiner Reflektion behauptet habe, die Unordnung sei durch Denken nicht erfassbar, so beruhte diese erste Figur auf der vulgären Erkenntnis, durch die zunächst alle meine Ahnungen kommen.“
Im Surrealismus steckt die Idee, sich über Grenzen hinaus zu denken. Der Ordnung die Unordnung als gleichwertig entgegen zu stellen und im Rekurs nicht den Rückblick zu sehen, sondern aus der Dialektik von Ordnung und Unordnung das Neue zu denken. Nicht das vereinfachende Ideal, das in seiner Apotheose begrenzt ist, sondern die stete Bewegung ist, was die Erscheinungsformen, die man auch Kategorien nennen kann, bereichert.
Sprache ist als Kategorie abstrakt, wird aber im Wechselfeld zum Gedanken konkret, ist wie das „Alles“ eine Seinsheit, die nicht weiter gedacht, zum Mythos erhoben werden kann, auf dass sie scheinbar die Grenze darstellt. Sie ist zwar der Punkt an dem sich Abstraktion in Vielfalt umkehrt, an dem das gefilterte Substrat auf Möglichkeiten verweist, die in ihm nur als Andeutung enthalten sind, aber sie ist eben auch Ort größtmöglicher Ordnung. Doch wer sagt denn, dass Ordnung evident ist?
Was, wenn es gar keine unregredierbaren Erkenntnisse gibt? Ohne evidente Kategorien gibt es weder Wahrheit noch Irrtum. So gesehen ist Sprache vielmehr eine Bewegung, die sich ihre Wahrheiten selber schafft. Sie ist zwar im steten Rekurs auf das Reale begriffen, schafft aber auch eigene Realitäten.
Wenn man das denkbare Mögliche an sich, als Herausforderung an die Sprache betrachtet, sich selbst immer auf's Neue zu formen, sich den Kategorien entzieht und dem Irrtum auch Wahrheit zuspricht, bekommt Sprache die Leichtigkeit, die ihr Sinnlichkeit gibt.
Die Pataphysiker, halten das Falsche für genauso wahr wie das Richtige. Für sie hat das Epiphänomen den gleichen Stellenwert wie das eigentliche Phänomen. Diese Anfangs eigentlich eher komisch gemeinte Denkkonstruktion korreliert jedoch auf eigenartige Weise mit moderner Komplexizitätstheorie und damit mit allen Bereichen, die sich auf diese beziehen.
In Taten und Meinungen des Pataphysikers Dr. Faustroll von Alfred Jarry heißt es:
„Ein Epiphänomen ist das, was zu einem Phänomen hinzukommt. Die Pataphysik, deren Etymologie mit epi (meta ta physika ) zu schreiben ist, ist die Wissenschaft von dem, was zur Metaphysik hinzukommt - sei es innerhalb, sei es außerhalb ihrer selbst - und die sich eben soweit jenseits dieser ausdehnt wie diese jenseits der Physik… Sie soll die Gesetze untersuchen, die diesen Ausnahmen unterliegen und will das zu dem existierenden zusätzlich vorhandenen Universum deuten“.
Die höher als gewohnte Bewertung des Epiphänomens ist die Freiheit der Kunst sich eine eigene Realität zu schaffen, in der die Randerscheinung die Gleichberechtigung erringt, unter Umständen sogar dominant die Geschicke bestimmt. Dieser Wille zur Struktur jedoch, der sich scheinbar aus unserem Denken ergibt, ist Verfestigung der Idee. Wenn die Idee den ihr eigenen Charakter des statu nascendi nicht verlieren soll, muss sie dem Worte gemäß im Moment des Entstehens schon nicht mehr sie selbst sein, so dass sie nie in Einer Weise geschaut werden kann.
Das Wort ist nur zu finden, wenn ich es nicht suche. Wenn ich es zum Sein gezwungen habe, verliert es seine Bedeutung, es ist „gestellt“ wie das Wild, das nur noch Opfer ist. Ich opfere das Wort der Offensichtlichkeit, damit der Gedanke der Sprache ein willfähriger Diener sein kann.
Sprache gewinnt ihre Energie zur Poesie aus dem was sie nicht ist, weil es die Sprache bezeichnet ohne selbst Zeichen zu sein. Alles ist Sprache, alles ist Gedanke. Das was wir sehen ist Zeichen.
Der Versuch der Verortung von Sprache führt in die Aporie. Die gewonnene Erkenntnis spiegelt wieder, wie der Gedanke sie zu fassen gedachte, verfehlt aber immer ihre Eigentlichkeit, die zu erfassen mit gegebenen Mitteln unmöglich ist.
Der Gedanke legt sich in die Sprache und wird zur Abstraktion seiner selbst. Der Sinn ist sein eigener und doch verfehlt er ihn.
Dies ist der Kollaps der Wellenfunktion.
Licht beispielsweise gehorcht dem Superpositionsprinzip. Solange es mit seiner Umgebung nicht interagiert, ist es sowohl Welle wie auch Teilchen.
Sobald jedoch ein Beobachter hinzutritt und ein Experiment entwirft, wird er – je nachdem wie er das Experiment gestaltet – beweisen, dass Licht genau den Charakter hat, den es zu beweisen galt. Es gibt kein einziges Experiment, das die Gleichzeitigkeit von Wellen- und Teilchencharakter des Lichts nachweisen kann.
Man könnte auch Heisenberg heranziehen und feststellen, dass Ort und Impuls eines Quantenobjekts nie gleichzeitig beliebig genau bestimmt werden können.
Sprache und Gedanken können nur in einem auf sich selbst bezogenen Rekurs erfasst werden, der zwar eine gewisse Ungenauigkeit enthält, aber genau dadurch Emergenz ermöglicht.
Ein weiteres systemtheoretisches Analogon zu den Naturwissenschaften kann durchaus gezogen werden, wenn man sich noch etwas ausgiebiger mit der Gastheorie beschäftigt.
Die Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung der Brownschen Molekularbewegung in Gasen muss sich nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik immer in Richtung der größtmöglichen Unordnung bewegen. Das heißt, man geht von einem geordneten Anfangszustand aus und denkt sich einen idealen Endzustand, bei dem alle Moleküle untereinander ihr Energieniveau ausgeglichen haben.
Wenn dies jedoch die einzige Bewegung wäre, würde es kein Wetter, keine Kristallisationsvorgänge und vor allem auch kein Leben geben, da diese nicht ohne Entropievermindernde Prozesse denkbar wären.
Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück zum Zustand größtmöglicher Unordnung. Wie dieser Begriff schon formuliert, handelt es sich hierbei nicht um Gleichmaß, sondern um einen Zustand, in dem es durchaus zu Entropie vermindernden Prozessen kommen kann.
Thermodynamisches Gleichgewicht ist lediglich ein statistischer Wert, der dadurch zustande kommt, dass Entropie vermindernde und Entropie vermehrende Prozesse einander im Mittel aufheben. (Dynamisches Gleichgewicht)
Nun sind diese Schwankungen im Mikromaßstab sehr klein und die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Gas wirklich in einer Raumecke kulminiert, extrem gering. Jedoch nur solange, wie der Maxwellsche Dämon in Form von durchgeführter Energie oder Information nicht in Erscheinung tritt.
Sobald wir das System öffnen und einen ständigen Energiefluss ermöglichen, kommen wir zu dynamischen Gleichgewichtszuständen zweiter, dritter und vielfacher Ordnung.
Ilya Prigogine nennt diese Zustände, “dissipative Strukturen“ und führt alle Bereiche, bei denen dauerhafte Entropieverminderung stattfindet, darauf zurück.
Augenfällige Beispiele hierzu sind die Bénard-Konvektion und andere Anomalien des Wassers, aber auch die Selbstorganisation von Materie unter bestimmten thermodynamischen Rahmenbedingungen. Das Wetter und natürlich die Evolution, die zu immer komplexeren Gebilden geführt hat, sind deren makroskopische Erscheinungsformen.
Ein anderer Aspekt dieser dissipativen Strukturen ist allerdings ihre Fragilität. Bereits kleine Veränderungen der Bedingungen können zum Kippen und dem Rückfall in die chaotische Phase führen.
Was hat dies jetzt aber mit unserem eigentlichen Thema zu tun?
Zunächst einmal sind Gedanken und Sprache Ausdruck höchster Komplexizität und können somit durchaus in das Ideenwerk Prigogines eingeordnet werden.
Stellen wir den Zusammenhang doch einfach anhand des Beispiels der Bénard-Konvektion dar.
Hierbei handelt es sich um einen Versuch, bei dem Wasser in einem Topf erhitzt wird und die Beobachtung des Wärmetransports vom Boden zur Oberfläche im Fokus steht.
Der Wärmetransport erfolgt bei geringer Temperaturdifferenz zunächst von unten nach oben durch Stöße zwischen den Molekülen, während die Flüssigkeit sich noch makroskopisch in Ruhe befindet. Übersteigt die Temperaturdifferenz zwischen oben und unten einen bestimmten Wert, setzt eine Konvektionsströmung ein. Bei geschlossener Oberfläche bilden sich parallele Konvektionsrollen aus, bei offener Oberfläche entstehen im Idealfall hexagonale Zellstrukturen.
Erhöht man die Temperatur weiter, bilden sich noch komplexere Strukturen durch Überlagerung, die aber ab einem bestimmten Punkt ins Chaotische übergehen.
Wenn Sie nun die ersten Sätze dieses Artikels noch einmal lesen, werden Sie eine seltsame Entsprechung entdecken.
Der Gedanke ist im übertragenen Sinne die Energie, welche die Wassermoleküle zum Schwingen bringt.
Solange er (sie) die festgespannten Saiten der Sprache in Resonanz versetzt, sie aber nicht zum Reißen bringt, bewirkt er eine Form von Selbstorganisation zu sinnvollen Einheiten. Wenn er in die Unordnung überspringt, zerstört er auch das sinnvolle Gefüge. Wenn er erlahmt, wird auch die Sprache im bedeutungslosen Gleichmaß zerfließen.
Die Sprache wiederum – die Information – ist die sinnvolle Struktur, die eine eigene Entität entwickelt und dadurch die Seinsform des Ganzen – des Wassers – bestimmt.
Weshalb nun dieses Zick-Zack zwischen Naturwissenschaft und Poesie, zwischen abstrakter Klarheit und Verrücktheit?
Weil alle Erkenntnis auf diesem Wege voranschreitet. Es ist die heuristische Methode die hieraus spricht. Unser Denken vollzieht sich in Sprüngen und strebt doch nach innerer Konsistenz. Das Wissen darum, dass nur der Irrtum als solcher erkennbar ist, die Wahrheit jedoch nicht zu beweisen ist, ist uns ein Greul. Deshalb sucht unser Geist dem Irrtum die Rolle des Wegbereiters zuzuweisen, aus der er sich mittels Dialektik aber befreit, denn er ist derjenige, dem auch ein Anspruch auf Wahrheit gebührt. Nur wenn der Irrtum wahr ist, kann die Wahrheit kein Irrtum sein. Die scheinbar evidente Erkenntnis verliert sich im unendlichen Regress, sobald ich erkenne, dass auch sie sich auf Axiome beruft. Das Axiom vom Widerspruch beispielsweise, welches da sagt, dass ein und die gleiche Sache nicht wahr und falsch zugleich sein kann, ist durch die Wahrheit des Irrtums und die Unbeweisbarkeit der Wahrheit, in Frage gestellt. Wahrheit kann nie absolut sein, sie ist es nur so lange, bis sie der falschen Betrachtung überführt wird.
Die praktischen Wissenschaften stellen das positivistische Weltbild auf einen breiteren Sockel, verändern jedoch das Verhältnis zum Glauben kein bisschen, da auch die Erkenntnis sich auf letzte Wahrheiten beruft, die geglaubt werden müssen. Erst im Widerspruch und im Spekulativen vollzieht sich durch ständiges Ringen das, was dem menschlichen Denken entspricht und den Glauben als intuitives Element mit einbezieht.
Die Bemühungen um Genauigkeit der Sprache, sind nur Ein Weg zu Erkenntnissen, die sich über Abstraktion hinausbewegen. Die mehrdeutige Verflechtung, die über das Gesagte hinausverweist, ist hingegen, was der Sprache zu Ehren gereicht, da es dem Denken Aufgabe und Lust auf dem Weg zum Werden ist.
Klarheit ermöglicht Dichte und ist damit Voraussetzung für Sinnlichkeit, die der Sprache auch zukommt, sofern unser Geist sie als Wesentlich betrachtet.
Abschließend sehe ich mich noch in der Pflicht zu erläutern, weshalb gerade das Spannungsfeld zwischen Natur und Geisteswissenschaften so anregend ist.
Einerseits hat es Tradition, dass ähnlich dem Gottesbeweis immer wieder gerne versucht wird, mit Hilfe der jeweils anderen Disziplin die Eigene zu rechtfertigen, um hiermit die Hegemonie der Selben unter Beweis zu stellen, denn immer derjenigen Wissenschaft, welche das Ordnungsprinzip stellt, wird dann auch die Deutungshoheit zugesprochen.
Andererseits steckt in dieser Form der Beweisführung auch schon die eigene Schwäche, denn in der Herleitung zeigt sich das dialektische Prinzip, welches offenbart, dass hier ein Widerspruch vorliegt. Denn sollte der Beweis gelingen, wäre er nur so lange als Solcher ernst zu nehmen, als dass der Beweis dem zu Beweisenden nicht einzuordnen ist. Im Bezug auf die je andere Wissenschaft, steckt eben auch gleichzeitig das Akzept der fremden Regeln, die damit für die Herleitung des zu Beweisenden als notwendig anerkannt werden.
Ludwig Wittgenstein hat gesagt, die Philosophie wäre am Ziel, wenn sie sich selbst aufgehoben hat.
Ich würde daraus ableiten, dass dieses Ziel zwar nicht erreichbar ist, jedoch auf diesem Weg alle Verschränkungen „zur Sprache“ kommen müssen, damit die Argumente auf sich selbst zurückwirken können und das Letzte, als unsinnig erkannt wird.
Demnach steht ein jedwedes Denken nur für sich selbst, wenn es zum Ziele kommt, in der Bewegung erfährt es jedoch Rechtfertigung.
Das Bedürfnis Vergleiche zu ziehen und Verbindungen herzustellen, entspringt auch der Not des In-die-Welt-geworfen-seins. Im Zeigen der Sprache, vollzieht sich die Trennung von Welt und Subjekt. Das „Sein“ wird zum „Da-Sein“. Der Mensch empfindet den Bruch und sucht ihn mittels des Denkens zu überwinden, den kritischen Geist mit dem Gefühl zu versöhnen. Auch wenn ihm der Glaube fehlt, sucht er doch unbewusst Zeichen, die ihm Welt als erschließbar, ihm zugehörig und einheitlich erscheinen lassen. Diesen Beweis tritt er an, indem er Sprache und mathematisches Zeichen als Abbild unseres Denkens und damit auch der Art, wie wir naturwissenschaftliche Zusammenhänge strukturieren betrachtet, und gleichermaßen physiologisch physikalische Prinzipien als naturwissenschaftliche Grundlage, für bestimmte Denk und Sprachstrukturen verantwortlich macht.
In dieser Betrachtung steckt jedoch die Gefahr einer gewissen Beliebigkeit, da nicht weit genug zu Ende gedacht dies auch heißen kann, dass alles irgendwie zusammenhängt und zudem auch noch determiniert ist. Der Anspruch ist folglich, den Verflechtungen in größtmöglicher Näherung gewahr zu werden, um ohne Mythen zu schaffen, das eigene „Sein“ in der Welt zu berühren und die Freiheit des Geistes nicht zu beengen.
Das positivistische Denken ist bemüht, sich der eigenen Freiheit zu vergewissern, indem es sich selbst die Dynamik zuschreibt, die notwendig ist, um die äußere Welt als determiniert zu enttarnen, widerspricht diesem Bedürfnis jedoch in der Annahme eindeutig bestimmbarer Strukturen.
Das konstruktivistische Denken stellt die Erkennbarkeit der Welt in Frage, relativiert damit jedoch nicht nur die gewonnene Erkenntnis, sondern auch den Freiheitsgrad des eigenen Denkens, da es dieses als Produkt der Verhältnisse betrachtet.
Das Verhältnis von Denken und Sprache zeigt auf, dass Freiheit und Determiniertheit nicht voneinander zu lösen sind. Es sind Antagonismen wie diese, welche die Spannung erzeugen, die solche Artikel hervorbringt.
Vielleicht ist bestimmt vielleicht.
Klarheit ist Bedingtheit.
Freiheit ist Komplexizität.
„Sprüche und Widersprüche
…ich beherrsche die Sprache nicht; aber die Sprache beherrscht mich vollkommen. Sie ist mir nicht die Dienerin meiner Gedanken. Ich lebe in einer Verbindung mit ihr, aus der ich Gedanken empfange, und sie kann mit mir machen, was sie will. Ich pariere ihr aufs Wort. Denn aus dem Wort springt mir der junge Gedanke entgegen und formt rückwirkend die Sprache, die ihn schuf. Solche Gnade der Gedankenträchtigkeit zwingt auf die Knie und macht allen Aufwand zitternder Sorgfalt zur Pflicht. Die Sprache ist eine Herrin der Gedanken, und wer das Verhältnis umzukehren vermag, dem macht sie sich im Hause nützlich, aber sie sperrt ihm den Schoß…“
Karl Kraus, Aphorismen