Karl Knopf   @   C u l t D

Karl Knopf
Klang und Technik
Teil 2: Laut, aber muffig?

Wie die Gegenkopplung den Frequenzgang beeinflusst: Mess- und Hörtest an einer einfachen Verstärkerschaltung.

Laut, aber muffig

In den 1960er Jahren forderte die DIN-Norm 45500 einen Frequenzgang von mindestens 40 bis 12500 Hz und einen Klirrgrad von nicht über 1%. Diese Werte wurden anhand einer Gruppe Menschen, deren Hörvermögen man für durchschnittlich befand, empirisch ermittelt. Leider stellte sich recht bald heraus, dass die oben beschriebenen Kriterien nicht ausreichten. Einerseits erwies sich, dass die Fähigkeit zu hören um einiges besser ist als erwartet, andererseits wurden die genannten Mindestforderungen von den meisten Geräten ohnehin um Etliches übertroffen, und trotzdem klingen beispielsweise Röhren- und Transistorverstärker unterschiedlich, selbst wenn sie in den oben vorgegebenen Daten identisch sind. Wir fragen uns also, inwieweit Frequenzgang, Klirrgrad und Intermodulation Aussagen über den Klang eines HiFi-Gerätes machen können.

Abb.
© Zeitschrift STEREO, Reiner H. Nitschke VerlagsGmbH

Wir haben deshalb eine kleine Schaltung aufgebaut (siehe Abbildung links), die im Wesentlichen aus einem High End Operationsverstärker und zwei austauschbaren Gegenkopplungswiderständen besteht (siehe Abbildung 2). Mit diesen Widerständen haben wir verschiedene Verstärkungsfaktoren eingestellt und jeweils den Frequenzgang und den Klirrfaktor gemessen. Gleichzeitig haben wir das klangliche Ergebnis jeweils im Hörtest ermittelt. Wir konzentrieren uns zunächst auf den Frequenzgang.

Probe aufs Exempel

Zunächst wurde eine sehr geringe Gegenkopplung eingestellt. Das ergibt eine hohe Verstärkung, aber der Frequenzgang fällt schon im hörbaren Bereich deutlich ab. Hörergebnis: Der Verstärker klingt vollmundig, aber auch etwas dumpf. Die Präzision im Bass fehlt. Das Gesamtbild ist wattig. Durch stärkere Gegenkopplung erreichen wir, dass der Frequenzgang bis über 20 kHz hinaus linear bleibt. Offenbar besteht eine direkte Verbindung zwischen Frequenzgang und Gegenkopplung. Ergo: Ein Mindestmaß an Gegenkopplung ist nötig — nicht nur um die nichtlinearen Verzerrungen in den Griff zu kriegen, sondern auch um den Frequenzgang zu glätten. Denn bedingt durch Kapazitäten innerhalb des Verstärkers (nebeneinander liegende Leiterbahnen, etc.) sinkt die Verstärkung zu höheren Frequenzen hin stark ab. Rekapitulieren wir noch mal kurz, worum es sich bei der „Gegenkopplung“ handelt. Allgemein geht es um die Korrektur des Nutzsignals, welches im Verstärker nicht nur verstärkt wird, sondern noch weitere Veränderungen erfährt. Dies erreicht man, indem man das verstärkte Signal vom Ausgang des Verstärkers wieder zurückführt und es an dessen Eingang mit dem zugeführten Nutzsignal „vergleicht“ und so entsprechend korrigiert.

Wie beim Autofahren...

Ein Beispiel aus dem Alltag für Gegenkopplung: Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf einer freien Straße mit gleichmäßiger Geschwindigkeit hinter einem anderen Auto her und halten den Abstand immer gleich. Sobald er sich verändert, geben Sie entweder mehr oder weniger Gas, um sich der Geschwindigkeit ihres Vordermannes anzupassen. Es kommt Ihnen aber nicht auf die Absolutgeschwindigkeit an, sondern auf konstante Distanz. Der Sichtkontakt, der für die Gegenkopplung steht, gibt Ihnen die Information, ob sie gerade mehr oder weniger „verstärken“, also Gas geben müssen. Je höher die Gesamtgeschwindigkeit (Bandbreite) jedoch wird, desto stärker (genauer) muss die Gegenkopplung (der Sichtkontakt) sein, da kleinste Fehler des Verstärkers (Mensch/ Maschine) bereits große Auslenkungen bewirken. Zurück zur Audiotechnik: Wenn wir unser Verstärkermodul mittels Gegenkopplung auf einen linearen Frequenzgang bis jenseits 20 kHz einstellen, sollten Auffälligkeiten im Frequenzgang eigentlich unterhalb der Hörschwelle liegen. Doch weit gefehlt: Der Hörversuch ergab, dass durchaus klangliche Unterschiede zwischen mittlerer und hoher Gegenkopplung wahrnehmbar sind. (...)

Abb.
© Zeitschrift STEREO, Reiner H. Nitschke VerlagsGmbH